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Digital Leadership im Familienunternehmen

Digital Leadership im Familienunternehmen oder wer bin ich und wenn ja wie viele?

Was ist digitale Führung und gibt es so etwas überhaupt? Und was ist denn anders an der Führung im digitalen Zeitalter? Wir reden immer über Kulturveränderung, neue Innovationsformen, Denken in Netzwerken, Multidisziplinarität, Kundenzentriertheit, Prototypisierung, Startups und all die Begriffe, die einem so einfallen, wenn es um digitale Transformation geht. Oft fokussiert sich der Gedanke der Veränderung aber eher nur auf die Belegschaft und es wird vergessen, dass die Veränderung im Führungsselbstverständnis ganz oben anfängt. Und oft eben auch aufhört.

Es geht um die zentrale Rolle der Innovation, genauer der Geschäftsmodellinnovation und um eine Welt, in der Erfolg ein Ergebnis des iterativen Ausprobierens, Verbesserns und Verwerfens ist. Lernen und ein komplexes Problem aus vielen Perspektiven zu betrachten und kreative Lösungen zu entwickeln unter Nutzung der Möglichkeiten neuer Technologien, darum geht es. Auf den Punkt gebracht: es geht um die explorative Erschließung einer Zukunft, die kreativ gestaltet werden muss im ständigen Realitätscheck was funktioniert und was nicht. Kein auf zehn Prozent genauer Business Case vor Projektstart, der eine sichere Entscheidung garantiert, keine klaren quantitativen Kennzahlen nach denen man steuern und bestrafen kann. Führen geht eher darübe,r die richtigen Fragen zu stellen, eine gemeinsame Vision zu finden, die richtigen Talente dafür zusammen zu bringen und dann clever zu orchestrieren. Führung heißt eher wie in einem WM Spiel an der Außenlinie zu stehen und mit dem spielenden Team mit zu fiebern, als in einer Position der Autorität immer selbst die richtigen Antworten zu kennen. Und diese dann in klare Handlungsanweisungen für die Untergebenen zu übersetzen. 

Gerade in Familienunternehmen kann es eine Augen öffnende Erkenntnis sein, wenn der Patriarch, zu dem alle immer aufgeschaut haben, weil er immer wusste was zu tun ist, auf einmal bei der Digitalisierung keine klaren Antworten mehr hat. Und wenn er sich das auch erst mal selbst eingestehen muss. Das ist aber kein Makel, keine Schwäche, sondern eine Manifestation der Anforderungen an ein neues Führungsselbstverständnis und eine Konfrontation mit genau diesen Anforderungen in der aktuellen Realität. Auf den Punkt gebracht: der Zusammenstoß eines Führungsselbstverständnisses mit den Anforderungen der neuen digitalen Welt. 

Gute Führung heißt im digitalen Zeitalter Autorität abzugeben. Das scheint vielleicht erst mal paradox. Führung über Vertrauen. Vertrauen in die Innovationskraft von talentierten Menschen, die zusammen kollaborativ komplexe Probleme, wie die Gestaltung und Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle, besser und produktiver lösen können als das ein erfahrener CEO kann. Z.B. weil das Wissen und die Technologie, die man dafür braucht, vielleicht erst zwei Jahre alt ist. Strategische Entscheidungen werden partizipativ unter Einbeziehung unterschiedlicher Hierarchiestufen und Fachbereiche getroffen und das auch noch immer schneller, agiler. In iterativen Testzyklen werden diese Entscheidungen als Hypothesen schon früh im Markt verprobt. Das bedeutet auch die Aufgabe von Kontrolle. Und das auch noch in dem Wissen, dass man den Erfolg eben nicht mehr klar voraussagen kann. Der Umgang mit dieser Unsicherheit ist eine weitere Herausforderung für das Führungsselbstverständnis. 

Verantwortung wird verteilt im Vertrauen auf die Talente, auf die Qualität des Teams, das man zusammengestellt hat. Aber haben wir nicht mal irgendwo gelernt, dass Verantwortung nicht teilbar ist. Ist sie eigentlich auch nicht, denn am Ende trägt die volle Verantwortung immer noch der Chef. Dabei gibt er dem Team gleichzeitig die Sicherheit, dass es keine Angst haben muss Fehler zu machen und den Karren voll vor die Wand zu fahren. Wow! Das braucht Rückgrat. Disruptive Innovation funktioniert also nicht, wenn alle Angst haben Fehler zu machen. Der Chef muss verantwortlich sein und muss dann am Ende dafür gerade stehen, wenn die Idee nicht fliegt. Deswegen wollen wir früh und mit wenig Investition scheitern und lernen, die Idee verbessern oder verwerfen, ohne dass es teuer wird. Unter einer Führung nach Zuckerbrot und Peitsche entstehen keine neuen Geschäftsmodelle und schon gar nichts Disruptives.   

Gemeinsame Vision (die Betonung liegt auf „gemeinsame“) und Werte, Vertrauen, Delegation der Verantwortung, schnelles Lernen und Kollaboration zu kultivieren sind die Richtlinien eines Führungsselbstverständnisses im digitalen Zeitalter. Nicht weil das hip ist, sondern weil man es für das Überleben des Unternehmens in einer neuen digitalen Umwelt einfach braucht. Hat man das nicht schon auf der obersten Management Ebene, dann hat die digitale Transformation aufgehört bevor sie angefangen hat.

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